Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 15.5.2024
Ansteckende Blutarmut der Einhufer RdErl. d. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – I C 2 – 2146 – 7341 v. 7.11.1975
Ansteckende Blutarmut der Einhufer
RdErl. d. Ministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten –
I C 2 – 2146 – 7341
v. 7.11.1975
Zu § 1
Ansteckende Blutarmut kann aufgrund pathologisch-anatomischer
Untersuchungsverfahren festgestellt werden (vgl. Nummer 7). Dagegen reichen
klinische, hämatologische und serologische Befunde jeweils allein zur
Feststellung der Seuche nicht aus. Die ansteckende Blutarmut muss mindestens
aufgrund von zwei der genannten Untersuchungsverfahren nachgewiesen sein.
Ein positiver serologischer Untersuchungsbefund allein begründet nur einen
„Ansteckungsverdacht“ (vgl. zu § 10).
Werden mit einem Untersuchungsverfahren von den „Normalwerten“ abweichende,
verdächtige oder positive Befunde festgestellt, sind stets auch die anderen für
die Feststellung der ansteckenden Blutarmut vorgeschriebenen Untersuchungen –
soweit bei den Tieren ausführbar – durchzuführen. Dies gilt insbesondere bei
Vorliegen klinischer Symptome. Epidemiologische Ermittlungen sind besonders zu
berücksichtigen.
Die Feststellung klinischer, auf ansteckende Blutarmut hinweisende Symptome
kann Schwierigkeiten bereiten, da die Seuche in den verschiedenen
Verlaufsformen (akut; subakut; chronisch-inapparent) auftritt. In der Mehrzahl
der Fälle wird die klinische Diagnose daher eine Ausschlussdiagnose sein. Das
noch am auffälligsten klinische Krankheitssymptom ist das intermittierende
Fieber, fieberfreie Tage und Tage mit Fieber wechseln in unregelmäßigen
Abständen, die Körpertemperatur steigt im akuten Stadium auf über 40°C an, im
subakuten und chronischen Stadium sind geringere Temperatursteigerungen bis zu
39°C häufig zu beobachten; in chronischen Fällen kann der fieberfreie Zustand
mehrere Wochen oder Monate, sogar Jahre anhalten, bevor die Temperatur wieder
ansteigt. Voraussetzung ist daher, dass die Körpertemperatur regelmäßig morgens
und abends zuverlässig über einen längeren Zeitraum gemessen und aufgezeichnet
wird. Konditions- und Gewichtsverlust treten bei den heutigen
Haltungsbedingungen nur in akuten klinischen Fällen oder am Ende der Krankheit,
subepitheliale Blutungen in den Kopfschleimhäuten und an der Zunge sowie
anämische Erscheinungen an den sichtbaren Schleimhäuten, ferner Ödeme an Bauch
und Unterbrust nur bei einem Teil der erkrankten Tiere und nicht selten nur im
Endstadium der Krankheit auf. Belastungsproben mit Herz, Puls- und
Atemfrequenzregistrierung vor und unmittelbar nach der Belastung zur Kontrolle
der Herz- und Kreislauffunktion sind infolge des individuell unterschiedlichen
„Trainingszustandes“ der Pferde in der Regel nur sehr bedingt aussagekräftig.
Bei der hämatologischen Untersuchung ist insbesondere die Gesamtzahl der
Erythrozyten und der Leukozyten sowie der Hämoglobingehalt (Berechnung des
Farbindex nach Marek und Möcsy) zu bestimmen und die Sedimentierprobe nach der
Methode Westergreen durchzuführen.
Für
die Beurteilung sind die in der Anlage aufgeführten Werte zugrunde zu
legen. (Tabelle siehe Anhang)
Für
die hämatologische Untersuchung sind nur nicht geronnene Blutproben geeignet,
das Blut ist daher in Röhrchen, die mit einem Antikoagulans versetzt sind (z.B.
3,9 % Natrium citricum), einzubringen.
Zur
Abklärung von Veränderungen des Blutbildes sind ggf. auch Kotproben (aus dem
Rektum) zu entnehmen und parasitologisch auf das Vorhandensein von
Magen-Darm-Würmern zu untersuchen.
Als serologisches Untersuchungsverfahren gilt der Agargel-Immunodiffusionstest.
Dieser Test wird zentral für das Land Nordrhein-Westfalen im Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamt Münster durchgeführt. Für die serologische
Untersuchung ist eine Blutprobe von mindestens 10 ml ohne gerinnungshemmende
Zusätze zu entnehmen. Um eine Übertragung von Einhufer zu Einhufer zu
vermeiden, sind zur Entnahme der Probe sterile Einmalkanülen oder sterile
Einmalspritzen zu verwenden; besonders geeignet sind Venülen.
Der pathologisch-anatomische Befund kann von ausgeprägten Organveränderungen
bis zu einem fast negativen Ergebnis schwanken (Leber-, Milz- und
Lymphknotenveränderungen, petechiale Blutungen). Die
„pathologisch-anatomischen“ Untersuchungsverfahren schließen die histologische
Untersuchung ein. Sofern nicht die zur Untersuchung erforderlichen Organe
Leber, Milz, Niere, Herz, Lunge, Milzlymphknoten und ggf. andere Lymphknoten in
gekühltem und frischem Zustand unmittelbar an das Untersuchungsinstitut
gebracht werden, sind würfelförmige Stücke dieser Organe von ca. 1 bis 2 cm
Kantenlänge, in einer Lösung, die etwa 10 % wirksames Formaldehyd enthält (1
Teil Formalin auf 3 Teile Wasser), eingelegt zu versenden. Finden sich bei der
Zerlegung andere Veränderungen – wie geschwulstartige Wucherungen usw. – in den
Organen, so sind auch von diesen Stellen Proben mit einzusenden. Die
Formalinlösung muss so reichlich bemessen sein, dass die eingelegten
Organstücke allseits von der Lösung umgeben sind.
Untersuchungsmaterial (Blut-, Organ- und Kotproben) ist – soweit es nicht
unmittelbar untersucht wird – auf schnellstem Wege an das Staatliche
Veterinäruntersuchungsamt einzusenden. Bei der Einsendung sind die für die
Verpackung und den Versand von infektiösem und verdächtigem Material geltenden
Vorschriften zu beachten. Die Einsendung von Proben ist mit dem Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamt telefonisch vorher abzusprechen.
Zu § 2
Gegen Impfungen, Maßnahmen diagnostischer Art oder Heilversuche an
seuchenkranken Einhufern werden im Rahmen wissenschaftlicher Versuche dann
keine veterinärpolizeilichen Bedenken bestehen, wenn diese Versuche unter
Leitung eines wissenschaftlichen Instituts in einem isolierten Stall oder
sonstigen Standort mit Quarantäne-Charakter so durchgeführt wurden, dass eine
Seuchenverschleppung nicht zu befürchten ist.
Auf die Gefahr einer Übertragung des Virus der ansteckenden Blutarmut mit dem
Blut infizierter Tiere wird besonders hingewiesen.
Zur Durchführung der Desinfektion vergleiche Ausführungen zu § 11.
In verdächtigen Beständen sollte für jeden Einhufer ein gesondertes Thermometer
verwendet und in den Ställen eine laufende intensive Insektenbekämpfung
durchgeführt werden.
Zu § 3
Die
Anordnung der Untersuchung von Einhuferbeständen wird in der Regel nur dann
erforderlich sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Seuche in einem
Gebiet oder in mehreren Einhuferbeständen bereits ausgebreitet hat. Hierbei ist
stets die serologische Untersuchung auf Antikörper im
Agargel-Immunodiffusionstest durchzuführen.
Zu § 4
Zur
hämatologischen und serologischen Untersuchung auf ansteckende Blutarmut sowie
zur Entnahme von Blutproben wird auf die Nummern 5 und 6 zu § 1 verwiesen.
Zu § 5
Wird die infektiöse Anämie bei Pferden anlässlich einer
Pferdesportveranstaltung festgestellt, gelten als „sonstiger Standort“ nur die
Räumlichkeiten zur Unterbringung der Tiere, nicht jedoch der Sattelplatz, der
Abreiteplatz, der Vorführring, der Parcours, die Rennbahn, der Turnierplatz und
die Geländestrecke.
Nach Feststellung der Seuche oder des Seuchenverdachtes in einem Bestand ist zu
ermitteln, ob aus diesem Bestand in den letzten 60 Tagen Einhufer entfernt
worden sind. Sind Einhufer während dieses Zeitraumes aus dem verseuchten oder
verdächtigen Bestand abgegeben worden, ist die Kreisordnungsbehörde des neuen
Standortes in Kenntnis zu setzen.
Eine Genehmigung zur Entfernung seuchenkranker Einhufer aus dem Gehöft oder
sonstigen Standort darf nur zu sofortiger Tötung der Tiere erteilt werden.
Die Entfernung seuchenverdächtiger Einhufer ist zur sofortigen Tötung der Tiere
oder nur aus zwingenden Gründen zu genehmigen und nur, wenn die Tiere an einem
anderen Standort oder in einem anderen Gehöft, in dem keine Einhufer gehalten
werden, abgesondert gehalten werden können. Zwingende Gründe sind z.B. bauliche
Unzulänglichkeiten der Absonderungs- oder Unterbringungsräumlichkeiten oder –
zur Verhütung unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Verluste – Freimachung eines
sonstigen Standortes für regelmäßige Veranstaltungen (Pferdeturniere und
ähnliches).
Für die Entfernung ansteckungsverdächtiger Einhufer gilt Nummer 3 entsprechend;
abweichend darf jedoch ausnahmsweise gestattet werden, dass die Tiere in ein
anderes Gehöft oder einen anderen Standort eingestellt werden, in dem Einhufer
gehalten werden (z.B. Rückführung eines Turnierpferdes in den
Herkunftsbestand). Eine Genehmigung zur Entfernung ansteckungsverdächtiger
Einhufer zur Schlachtung darf regelmäßig erteilt werden.
Genehmigungen zur Entfernung von Einhufern sind mit der Auflage zu verbinden,
das seuchenkranke, seuchenverdächtige und ansteckungsverdächtige Tiere nur in
geschlossenen Fahrzeugen befördert werden, die so beschaffen sind, dass
tierische Abgänge, Streu und Futter weder durchsickern noch herausfallen können.
Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung ist, dass die
Sperrvorschriften in dem neuen Standort eingehalten werden können. Ferner ist
in allen Fällen, in denen für den neuen Standort eine andere Behörde zuständig
ist, vorher deren Zustimmung einzuholen.
Wird eine Genehmigung zum Verbringen von Einhufern in das Gehöft oder den
sonstigen Standort erteilt, ist der Besitzer auf die Vorschrift des § 69 Abs. 2
des Tierseuchengesetzes (TierSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.
Februar 1991 (BGBl. I S. 482) hinzuweisen.
Der Bewuchs von Weideflächen, die der Nutzungsbeschränkung nach Absatz 2
unterliegen, darf an Einhufer nicht verfüttert werden.
Zu § 6
Genehmigungen
nach § 6 können aufgrund der Beurteilung der Verhältnisse im Einzelfall erteilt
werden, wenn ein dringendes wirtschaftliches Bedürfnis besteht oder eine länger
dauernde Aufstallung zu erheblichen Schwierigkeiten oder zu unverhältnismäßigen
Härten führt. Für die Genehmigung der Nutzung ansteckungsverdächtiger Reit-
oder Rennpferde z.B. auf Reitplätzen oder im Trainingsgelände ist zu prüfen, ob
diese als zu dem Gehöft oder sonstigen Standort dazugehörig anzusehen sind; auf
Satz 2 und 3 des § 6 wird in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen. Eine
Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn eine Seuchenübertragung durch
blutsaugende Insekten auf andere Einhufer nicht anzunehmen ist.
Zu § 7
Auf das Schlachtverbot für ansteckender Blutarmut erkrankte oder
seuchenverdächtige Einhufer wird hingewiesen [(Nummer 5.1 Anlage 1 der
Fleischhygiene-Verordnung vom 30. Oktober 1986 (BGBl. I S. 1678), zuletzt
geändert durch Verordnung vom 11. März 1988 (BGBl. I S. 303)].
Die Tötung verdächtiger Einhufer ist nur im Einvernehmen mit der
Bezirksregierung anzuordnen. Die Anordnung kann erforderlich sein, wenn keine
für die Aufstallung und Absonderung oder nur völlig unzulängliche
Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.
Zu Abs. 2 gelten die Hinweise in Nummer 1 zu § 2 sinngemäß.
Zu § 9
Bezüglich der Absonderung und amtlichen Beobachtung wird auf § 19 Abs. 3 TierSG
verwiesen.
Für die Genehmigung zum Entfernen ansteckungsverdächtiger Einhufer aus dem
Gehöft oder sonstigen Standort gelten die Hinweise zu den §§ 5 und 6 sinngemäß.
Zu § 10
Bei klinisch gesunden Einhufern weist ein positives Ergebenes der serologischen
Untersuchung im Agargel-Immunodiffusionstest darauf hin, dass sich der
Organismus zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Erreger der ansteckenden Blutarmut
auseinandergesetzt hat. Ein solcher Befund gibt für die Behörde, sofern er ihr
bekannt wird, Anlass zur Untersuchung des gesamten Bestandes. Werden bei den
Tieren mit serologisch positiven Befunden nicht gleichzeitig andere
Erscheinungen, die auf ansteckende Blutarmut hindeuten, festgestellt, so sagt
der serologische Befund allein nichts darüber aus, ob das Tier das Virus
ausscheidet, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt ausscheiden wird oder an der
Seuche erkrankt. In Anbetracht der besonderen epizootologischen Verhältnisse
und der bisherigen Erfahrungen bei der Bekämpfung der infektiösen Anämie der
Einhufer sowie der begrenzten Aussagefähigkeit des
Agargel-Immunodiffusionstestes bei klinisch und hämatologisch unverdächtigen
Tieren ist es – unter Abwägung von Seuchenrisiko und Verhältnismäßigkeit der
Mittel – vertretbar, den Bestand nach einmaliger bzw. zweimaliger
serologischer, hämatologischer und klinischer Untersuchung aller Einhufer des
Bestandes freizugeben. Dieses bedarf des Einvernehmens der Bezirksregierung.
Zur hämatologischen und serologischen Untersuchung sowie zur Blutprobenentnahme
vergleiche Ausführungen bei den Nummern 5 und 6 zu § 1.
Zu § 11
Die
Reinigung und Desinfektion ist nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes
durchzuführen.
Zur
Desinfektion sind besonders Desinfizierungsmittel geeignet, die auf der
Grundlage von Formalin hergestellt sind.
Flüssige
Abgänge sind, soweit sie nicht dem Dung beigegeben werden, durch Zusatz von
Kalkstickstoff oder dicker Kalkmilch (20 kg Kalkstickstoff auf einen Kubikmeter
Flüssigmist oder dicke Kalkmilch : Flüssigmist = 6 : 100) zu desinfizieren. Der
eingebrachte Kalkstickstoff bzw. die dicke Kalkmilch sind durch intensives
maschinelles Umrühren bzw. Umpumpen gut zu verteilen. Die Einwirkungszeit muss
bei dicker Kalkmilch und bei Kalkstickstoff mindestens vier Tage betragen.
Zu § 12
Der
Seuchenverdacht auf ansteckende Blutarmut hat sich in der Regel als unbegründet
erwiesen, wenn
a)
bei den seuchenverdächtigen Einhufern frühestens 21 Tage nach Feststellung des
Verdachts zwei im Abstand von vier Wochen entnommene Blutproben hämatologisch
und serologisch auf ansteckende Blutarmut mit negativem Ergebnis untersucht
worden sind und weder bei den betreffenden Tieren noch den übrigen Einhufern
des Bestandes für ansteckende Blutarmut verdächtige klinische, hämatologische,
serologische oder pathologische Erscheinungen festgestellt worden sind, oder
b)
bei den seuchenverdächtigen und den übrigen Einhufern des Bestandes innerhalb
von 180 Tagen nach Feststellung des Seuchenverdachtes keine für ansteckende
Blutarmut verdächtigen klinischen, hämatologischen oder
pathologisch-anatomischen Erscheinungen festgestellt worden sind, oder
c)
die seuchenverdächtigen Einhufer verendet, getötet oder entfernt worden sind
und bei den übrigen Einhufern des Bestandes die Voraussetzungen des Absatzes 2
Nr. 1 Buchstabe b vorliegen.
Anlagen: